Herausgegeben von der Stadtgemeinschaft Tilsit
Die Stadtgemeinschaft Tilsit e.V. hat im Laufe der Jahre viele interessante Publikationen herausgegeben. Diese Schriften und Bildbände enthalten Dokumentationen, Bilder, Berichte, Betrachtungen und Erinnerungen, die das Leben, die Leiden und Freuden der Menschen in ihrer alten Heimat, auf der Flucht und in der neuen Heimat nachempfinden lassen. Diese Publikationen sind nicht nur den Tilsitern, sondern auch den Ostpreußen und den Ostpreußeninteressierten zu empfehlen
Tilsit zwischen Lenin und Luise
Die Stadtgemeinschaft Tilsit hat eine Broschüre herausgegeben, in welcher der hoffnungsvolle Weg geschildert wird, den die heute Sowjetsk genannte Stadt am Memelstrom seit dem Ende der Sowjetmacht gegangen ist, In einer Rückschau auf die vergangenen 22 Jahre von 1991 bis 2012 erfährt man von den Bemühungen, das preußische Erbe zu entdecken und sich gen Europa zu öffnen.
Die Broschüre mit dem Titel „Tilsit zwischen Lenin und Luise“ hat 74 Seiten und 31 Fotos.
Das Inhaltsverzeichnis:
Tilsit zwischen Lenin und Luise
– Aufbruch mit preußischem Erbe –
1991 Sowjetsk ohne Sowjetmacht
1992 Ende der Planwirtschaft
1993 Die Mühen der Privatisierung
1994 Baldiges Ende der Talfahrt ?
1995 Streben nach Normalität
1996 Eisiger Winter, heißer Wahlkampf
1997 Beginnender Truppenabzug
1998 Neuer Anlauf
1999 Hoffnung auf Europa
2000 Siegesfeiern und Wirtschaftsboom
2001 Westöffnung und Russentum
2002 Die Stadt gab es schon vor 450 Jahren
2003 Standortvorteile für Investoren
2004 Die wirtschaftliche Talsohle schien durchschritten
2005 Entdeckung europäischer Bedeutsamkeit
2006 Empfangsbereit zum großen Ereignis
2007 Fiel die Zweihundertjahrfeier ins Wasser?
2008 Mehr Lebensqualität gefordert
2009 Weltweite Finanzkrise macht keinen Bogen
2010 AKW Baltiskaja – Fluch oder Segen ?
2011 Wachsende Anziehungskraft
2012 Kulturhistorisches Erbe und moderne Gegenwart gehören zusammen
Anhang Ortsbezeichnungen
Das Vorwort
Es geschah in einer Januarnacht des Jahres 1945. Sowjetische Truppen nahmen die Stadt Tilsit in ihren Besitz. Sie gaben sie nicht wieder her. Schon bald kamen Neusiedler aus allen Teilen der Sowjetunion in die Stadt. Sie errichteten die Sowjetmacht und nannten sie fortan Sowjetsk. Die Stadt wurde abgeschottet und für Fremde nicht mehr zugänglich. Bis 1991 war sie Sperrgebiet. Viereinhalb Jahrzehnte habe ich von Tilsit geträumt. Sie war meine Heimatstadt. Durch den unseligen Krieg musste ich sie für immer verlassen. Stets bewegte mich der Gedanke, wie es wohl dort aussehen mag. Im Laufe der Zeit erfuhr ich durch Fotos, wie es auf dem Mond aussah, doch von meiner Heimatstadt erfuhr ich nichts.
Erst mit dem Zerfall der Sowjetmacht öffnete sich der Vorhang. Es kam zu Begegnungen mit Menschen, die heute dort lebten. Meine erste Bekanntschaft hatte ich mit Valerij. Wir führten lange Gespräche über Tilsit. Nach jahrzehntelanger Abschottung gegenüber dem westlichen Ausland spürte man das Interesse an den preußischen Wurzeln und den Wunsch nach einem Platz im europäischen Haus. Valerij liebte die Stadt genauso wie ich. Es stellte sich heraus, dass er schon doppelt so lange dort wohnte als ich damals. Uns einte der Gedanke, dass diese Stadt, egal ob sie Tilsit oder Sowjetsk heißt, unsere gemeinsame Heimatstadt ist. Ihr Schicksal ging uns beide an. Die Stadt stand vor einem gewaltigen Umbruch. Von nun an nahm ich Anteil am Neustart in eine bessere Zukunft.
Das erste Wiedersehen war traurig. Die Stadt trug ein fremdes Gewand, welches ihre einstige Schönheit verhüllte. Doch die heutigen Bewohner empfingen mich mit offenen Türen und offenen Herzen. Seitdem war ich mehr als dreißigmal dort. Seit 1991 im Vorstand der Stadtgemeinschaft Tilsit wirkend konnte ich viele Kontakte zu Ämtern und Einrichtungen knüpfen und am Brückenbau der freundschaftlichen Zusammenarbeit mitwirken. Mit lebhaftem Interesse begleitete ich die Entwicklung seit 1991. In der vorliegenden Schrift habe ich meine zahllosen Gespräche mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, mit Freunden und Bekannten, meine Eindrücke beim Lesen der örtlichen Presse und der Internetportale in gedrängter Form zusammengefasst. Für die hilfreiche Unterstützung möchte ich allen herzlich danken, besonders Jascha Rosenblum, der mit seinen Fotos zur Illustration dieser Schrift beigetragen hat.
Geschildert wird der schwierige Weg, den die Stadt seit dem Ende der Sowjetmacht gegangen ist, ihre Bemühungen, an die einstige Schönheit Tilsits anzuknüpfen und zu einer Stadt der Moderne zu werden. Die Beobachtungen wurden niedergeschrieben aus dem Blickwinkel eines alten Tilsiters, der sich immer noch in der Stadt zuhause fühlt. Von daher wird um Nachsicht ersucht, wenn sämtliche Straßenbezeichnungen in der alten deutschen Fassung genannt werden. Die Schrift soll auch keine Chronik der beschriebenen 22 Jahre sein. Dazu sind die Beobachtungen zu lückenhaft. Sie beleuchten nur schlaglichtartig viele Erscheinungen zwischen den Jahren 1991 und 2012, die symptomatisch waren für diesen Zeitraum des Neustarts in eine bessere Zukunft.
Zweiundzwanzig Jahre sind eine kurze Zeitspanne. Umso beeindruckender ist der Prozess, der sich in dieser Zeit vollzogen hat. Die Stadt ist auf dem besten Wege, die Traditionen der „Stadt ohne Gleichen“ sich zu Eigen zu machen und, gepaart mit russischer Aufbruchsstimmung, wieder eine Rolle in Europa zu spielen. Der Tag wird kommen, an dem ihr der alte Name Tilsit und damit ihre historische Würde zurückgegeben wird. Meine guten Wünsche begleiten sie auf diesem Weg.
Chemnitz, 31.12.2012 Hans Dzieran