Tilsit Stadt und Land

Sovjetsk – Tilsit heute

Die Stadt Tilsit heißt heute Sovjetsk und liegt im Oblast Kaliningrad, früher Königsberg 

Die “Stadt ohne gleichen”, wie sie von vielen genannt wurde, war geprägt durch ihre Lage.

Sie war Grenzstadt und Handels- und Industriezentrum an einem Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege. In den Jahrhunderten ihres Bestehens haben Menschen aus allen Himmelsrichtungen und vielen europäischen Ländern die Stadt besiedelt. Die Bevölkerung war ein Konglomerat von Menschen aus verschiedenen Nationen, Kulturkreisen, Industriegebieten und Landschaften. Die Menschen in Tilsit hatten im Laufe der Jahrhunderte Kriege, Besetzungen, Krisen die Pest und andere Schicksalsschläge zu überstehen. Die Menschen, die nach Ostpreußen kamen, waren Pioniere, sie betraten Neuland und mussten bestehen, ein Zurück gab es meistens nicht. Die Vielfalt der Berufe und Fähigkeiten gepaart mit Kreativität und Unternehmergeist entwickelte Tilsit zur zweitgrößten Stadt Ostpreußens.
Die Bewohner der Stadt Tilsit waren heimatverbunden und hatten es zu einem auskömmlichen Wohlstand gebracht.
Dann kam durch den zweiten Weltkrieg ein historischer Einschnitt in die Entwicklung der Stadt. Die Stadt wurde entvölkert. Waren es im jahre 1944 noch ca 60.000 Einwohner, so gab es 1946 nur noch etwa 6.500 Bewohner in der Stadt. Das waren aber nicht zurückgebliebene Deutsche, sondern aus der ganzen Sowjetunion zusammengeholte Menschen; die Deutschen wurden vertrieben. In den folgenden Jahren wuchs die Bevölkerung wieder auf über 46.000 Einwohner. Dieser Zuwachs erfolgte nicht nur durch Geburten, sondern durch Zuwanderung aus allen Regionen der Sowjetunion – also wieder ein Konglomerat.
Obwohl im Krieg vieles zerstört wurde, ist erkennbar, dass Tilsit eine Historie hat, die nicht erst nach 1945 beginnt.
Die Luisenbrücke (wenn auch nur das Portal) das Theater, die Zellstofffabrik, der Bahnhof, die  Eisenbahnbrücke, der Elch und die Gebäude, wenn auch in einem bedauernswerten Zustand künden nicht nur von vergangener Zeit, sondern werden genutzt und geschätzt.
Neue Menschen haben sich eingelebt, sind in der Stadt geboren, und setzen sich für die Entwichklung von Industie, Kunst und Kultur ein. Sie sind heimatverbunden und interessieren sich für die Vergangenheit Ihrer Stadt. Sie erkennen, dass ihre Stadt auch international bekannt ist und in der Geschichte eine Rolle gespielt hat – nicht als Sovetsk, sondern als Tilsit. Der Name dieser Stadt hat jahrhunderte mit nur kleinen zeitgemäßen Änderungen Bestand gehabt. Das, was am wenigsten zu Tilsit passt, ist der heutige Name “Sovjetsk”.
Die Mitglieder, der Vorstand und Freunde der Stadtgemeinschaft Tilsit haben eine gute freundschaftliche Verbindung zur Verwaltung, zu Vereinigungen und vielen Menschen der Stadt. Wir schauen mit Interesse auf die Entwicklung unserer Heimatstadt und wollen auf dieser Seite über das Leben und die Entwicklung der Stadt Tilsit/Sovjetsk berichten und berichten lassen.

“Ostpreußen. Frühling 1945“
– so lautet die neue Ausstellung im Sovjetsker Museum für Geschichte –

Музей истории города Советска приглашает вас посетить выставку работ литовского фотографа Повиласа Карпавичюса «Восточная Пруссия. Весна 45-го»из фондов Калининградского областного историко-художественного музея.

Stadtmuseum Tilsit Ausstellung "Ostpreußen. Frühling 1945"

Plakat zur Ausstellung „Ostpreußen im Frühjahr 1945“ im Museum für Geschichte der Stadt Sovjetsk/Tilsit vom 07. Mai bis 27. Juni 2021. Die auf dem Bild zu sehenden Soldaten sind Teilnehmer der vom 16. bis 27. November 1944 durchgeführten „Gumbinner-Goldaper Operation“, hier im Frühjahr 1945 vor dem Grenzschild „Германия“ / „Germania“.

Das Museum für Geschichte der Stadt Sovjetsk lädt ein, die neue Ausstellung «Ostpreußen – Frühling 1945″ mit Werken des litauischen Fotografen Povilas Karpavičius zu besuchen.
Povilas Karpavičius war Leiter einer vom Kommando der 3. Weißrussischen Front 1945[1] gegründeten Gruppe von Kriegsbericht-Fotografen, die hinter den militärischen Operationen zwischen Ostpreußen und Berlin die Folgen des Krieges festhielten.
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[1] damals unter Armeegeneral Iwan Danilowitsch Tschernjachowskij (Иван Данилович Черняховский) geboren 1906 in Uman (Russisches Kaiserreich); gefallen am 18. Februar 1945 in Mehlsack (südliches Ostpreußen), begraben in Vilnius/Wilna, nach 1990 nach Moskau überführt, jüngster Armeegeneral in der Geschichte der Roten Armee [encyclopedia.mil.ru].

Seine Fotos dürften für westliche Beobachter, insbesondere die ehemaligen Einwohner Ostpreußens von hoher Emotionalität sein, denn ein Fotoapparat gehörte wohl in den seltensten Fällen zum Flucht-, Vertreibungs- oder gar Deportationsgepäck.
Im Jahre 1909 in Tblissi/Tiflis (Georgien) geboren, kam Povilas Karpavičius mit seinen Eltern nach Litauen, studierte Landwirtschaft in der damaligen litauischen Hauptstadt Kaunas und interessierte sich für die aufkommende Farbfotografie, deren Meister er später wurde. Er nahm an zahlreichen Ausstellungen teil und prägte Theorie und Praxis des Fotojournalismus. 1957 präsentierte er „Fotografische Bilder“ mit scharf ausgeprägten Details ohne Halbtöne, die eine revolutionäre Methode zur Steigerung der Ausdruckskraft in der Fotografie war (siehe: Kunde, Olaf: „Geschichte des Fotojournalismus“).

Povilas Karpavičius starb 1986 in Kaunas (Litauische Sozialistische Sowjetrepublik).
Er ist nicht vergessen:
Im Jahre 2005 übernahm das Litauische Zentrale Staatliche Archiv in Vilnius/Wilna ungefähr 100.000 Foto-Negative aus Povilas Karpavičius‘ Nachlass [Ausstellungsannotation des Sovjetsker Museums]. Daraus speist sich die hier rezensierte Ausstellung in Sovjetsk/Tilsit. Dieses Museum, jedoch auch das Staatliche Litauische Geschichtsarchiv, halten in ihren Beständen auch eine Reihe von Dokumenten aus dem preußisch-deutschen Memelland bereit.
Zusätzlich werden in der Ausstellung Exponate aus dem seit 2011 existierendem Projekt „Lebendige Geschichte“ des Kaliningrader Regionalmuseums der Geschichte und Kunst (in der ehemaligen Stadthalle) arrangiert, das Fragmente aus Originalen der Kriegszeit und audiovisuelle Interviews mit Veteranen, Frauen wie Männer, wiedergibt.

Im Jahre 1995 verlieh das israelische Parlament an Povilas Karpavičius (1908 – 1986) & Alevtina Karpavičienė (1908 – 1997) den Titel eines ‚Gerechten unter den Völkern‘ (siehe: „The Righteous Among the Nations“).
Diese Auszeichnung an das Ehepaar Karpavičius spiegelt die äußerst wechselvolle Geschichte der Volksidentität der Litauer wider, wie sie einprägsam nachlesbar ist in „Kaunas – Daten und Fakten“.

Die Geschichte des sogenannten Sowjetischen Jahres (1940 – 1941), die sich anschließende nationalsozialistische deutsche Okkupation mit dem durch deutsch-litauische Einsatzgruppen folgendem Genozid der Juden im „Litauischen Jerusalem“ und die sich erneut als Menetekel einprägende sowjetische Herrschaft, verbunden mit massiven Deportationen, drückt sich in folgenden Briefmarken der Litauischen Post aus dem Jahre 1940 bzw. 1993 aus:

unabhängige Republik Litauen letzte Briefmarke 1940

Letzte Briefmarke der unabhängigen Republik Litauen vom 15. März 1940 aus einer Serie von 6 Marken zum Thema „Frieden“, Katalognummer 445 (https://swmedia-4cd6.kxcdn.com/media/catalogue/Lithuania/Postage-
stamps/XES-s.jpg), bevor sie mit Überdruck „LTSR 21.VII.1940“ (Litauische Sovjetrepublik) versehen wurde: https://swmedia-4cd6.kxcdn.com/media/catalogue/Lithuania/Postage-stamps/XEY5-s.jpg. “Eigene litauische Briefmarken erschienen erst wieder im Jahr 1990.

 

Jüdisches Ghetto in Vilnius - Gedenkstempel
Gedenkstempel 50. Jahrestag der Liquidierung des jüdischen Ghettos in Vilnius

[Litauische Post 1993]: 23. September 1993: Gedenkstempel aus Anlass des 50. Jahrestages der Liquidierung des jüdischen Ghettos in Vilnius/Wilna durch deutsche und litauische Einsatzgruppen.
Mit dieser Lebensgeschichte des Kriegsfotografen Povilas Karpavičius wird man die Fotobilder in der historischen Ausstellung der Stadt Sovjetsk – 07. Mai 2021 bis 27. Juni 2021 – mit anderen Augen sehen: Ost- und Mitteleuropas Städte in Schutt und Asche, zerstörte Infrastruktur, verbrannte Erde, gemarterte Menschen, zerrissene Familien – der Wahnsinn einer alles zerstörenden, kriegerischen Politik der Auslöschung. Die erhaltenen Fotodokumente aus Ostpreußen mahnen zum „Ewigen Frieden“ in unserer „Stadt ohne Gleichen“.

Stadtmuseum Tilsit Ausstellung "Ostpreußen. Frühling 1945" Juni 2021
Einblick 1 in die Ausstellung „Ostpreußen – Frühjahr 1945“ im Museum für Geschichte der Stadt Sovjetsk/Tilsit. Foto oberhalb des Klaviers des Kriegsfoto-Journalisten der 3. Weißrussischen Front Povilas Karpavičius am Pregel in Königsberg. Foto dieses Ausstellungseinblicks: Museum für Geschichte der Stadt Sovjetsk vom 01.06.2021.

Stadtmuseum Tilsit Ausstellung "Ostpreußen. Frühling 1945" Juni 2021
Einblick 2 in die Ausstellung „Ostpreußen – Frühjahr 1945“ im Städtischen Historischen Museum der Stadt Sovjetsk/Tilsit. Fotos oberhalb der linken Vitrine: Ruine des Königsberger Schlossturms, darunter zwei Soldaten (vermutlich von und mit Kriegsfotojournalist der 3. Weißrussischen Front Povilas Karpavičius, links im Foto) vor dem zerstörten Gebäude der Oberpostdirektion am Hansaring – heute Gebäude des Stabs der Baltischen Flotte in Kaliningrad. Foto dieses Ausstellungseinblicks: Museum für Geschichte der Stadt Sovjetsk vom 01.06.2021 (vom 1. Autor dieses Artikels retuschiert).

Benutzte Quellen:
https://migsovetsk.ru/exhibitions/; Zugriff 02.06.2021 um 19:47 Uhr.
• [encyclopedia.mil.ru]: „Черняховский Иван Данилович – Биография“. Министерство обороны Российской Федерации (Минобороны России). https://encyclopedia.mil.ru/encyclopedia/heroes/USSR/more.htm?id=11843151@morfHeroes, Zugriff 09.06.2021 um 23:30 Uhr.
• Kunde, Olaf: „Geschichte des Fotojournalismus“, (Masterarbeit an der TU Dresden), München, GRIN Verlag 2000. https://www.grin.com/document/20791; Zugriff 02.06.2021 um 20:05 Uhr.
https://righteous.yadvashem.org/?search=Karpavi%C4%8Dius&searchType=righteous_only&language=en, Zugriff 02.06.2021 um 22:11 Uhr.
• Проект «Живая история», Историко-художественный музей г. Калининграда: О проекте; Projekt „Lebendige Geschichte“ des Historisch-Künstlerischen Museum Kaliningrad: http://www.veteranalbum.ru/; Zugriff 03.06.2021 um 20:43 Uhr.
• Litauisches Zentrales Staatliches Archiv: http://www.archyvai.lt/en/archives/centralarchives.html; Zugriff 03.06.2021 um 21:23 Uhr.
• Staatliches Litauisches Geschichtsarchiv: http://www.archyvai.lt/en/archives/historicalarchives.html; Zugriff 03.06.2021 um 21:48 Uhr.
• Das Kaliningrader Regionalmuseum der Geschichte und Kunst; Калининградский областной историко-художественный музей; Zugriff 03.06.2021 um 22:18 Uhr.
• [Litauische Post 1993]: Briefmarken-Gedenkbrief der freien Litauischen Post aus dem Jahre 1993. In Reikfil Vilnius (Hrsg): “POSTAL ISSUES OF LITHUANIAN REPUBLIC CATALOGUE 1990 – 1994 Nr. K 39 („50th Anniversary of Vilnius Jewish Ghetto Liquidation, September 23, 1943”). Aus der Sammlung Vera Olga Thiel, Stade.

Weiterführende Literatur (die beim Autor vorliegt):
• [2019] „Ostpreußen – Land der dunklen Wälder. 75 Jahre Flucht und Vertreibung 1944 – 2019“. Hrsg. Landmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe NRW e.V. www.ostpreussen-NRW.de.
• Bundesministerium für Vertriebene: (Hrsg.) „Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße“. Band I, 1-3. Deutscher Taschenbuch Verlag 1984. ISBN 3-423-03270-7 (mit bis heute zahlreiche Reminiszenzen, z.B. https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1998_3_1_beer.pdf)
• Matthes, Eckardt (Hrsg.): Als Russe in Ostpreußen. Sowjetische Umsiedler über ihren Neubeginn in Königsberg/Kaliningrad nach 1945. Edition tertium 1999. ISBN 3-930717-58-1. https://berlingeschichte.de/lesezei/blz01_06/text18.htm;
• Borkowski, Helmut: „Die Kämpfe um Ostpreußen und das Samland 1944-1945.“ Heimatkreisgemeinschaft Landkreis Königsberg (Pr) e.V., erweiterte Auflage 2014. http://www.ostpreussen.net/ostpreussen/orte.php?bericht=2371; s
• Das Lettische Okkupationsmuseum 1940 – 1941. www.occupationmuseum.lv; http://okupacijasmuzejs.lv/de/
• Major Dieckert, General Großmann: „Der Kampf um Ostpreußen. Motorbuchverlag Stuttgart 1976 ISBN 3-87943-436-0.
• „Kaunas: Daten und Fakten“; insbesondere: https://datos.kvb.lt/de/zeitperioden/1944-1990/#19440801;
• Vilna Ghetto: https://en.wikipedia.org/wiki/Vilna_Ghetto (mit einer Reihe weiterführender Literatur).
• Dzieran, Hans: „Auch sie gehörten zu Tilsit. Zur Geschichte der Tilsiter Juden“. Chemnitz 2014. Stadtgemeinschaft Tilsit. Chemnitz 2014. – 62 S.: Ill.21cm. – Inhaltsverzeichnis – kart. DDC: 947.24004924¸ http://d-nb.info/1047899175;
• Hell, Cornelius: „Der eiserne Wolf im barocken Labyrinth. Erwachendes Vilnius, Picus Lesereisen. Picus Verlag Wien 2006 (u. a. mit dem Artikel „Die Shoah im litauischen Jerusalem“. https://ernster.com/detail/ISBN-9783854529514/Hell-Cornelius/Der-eiserne-Wolf-im-barocken-Labyrinth#r81340-0-84355:89051:101949;

Autoren: Prof. Günter H. Hertel, Pressesprecher, und Valentina Manthey, Vorstandsmitglied der Stadtgemeinschaft Tilsit e.V.

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