Partnerschaft Kreis Plön – Stadtkreis Neman (ehem. Tilsit-Ragnit)
Aus einer Patenschaft ist eine Partnerschaft entstanden
Vor mehr als fünfzig Jahren, im Jahre 1952, übernahm der Kreis Plön die Patenschaft über die aus ihrem Heimatkreis Tilsit-Ragnit vertriebenen Bewohner. Damals kam es darauf an, den Menschen aus dem äußersten Nordosten Deutschlands eine ideelle Heimat zu schaffen. Die Unterstützung und Hilfe für die in der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit zusammengeschlossenen Ostpreußen erwies sich als segensreich. Wie es sich für Ostpreußen gehört, brachten sie ihre Tatkraft und Erfahrungen in den Nachkriegsaufbau ein und stellten für den Kreis Plön eine willkommene Bereicherung dar.
Die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat blieb trotz allem ungebrochen. Immer wieder wurden Fühler ausgestreckt, um die Lage in dem Land am Memelstrom zu erkunden, das man für Jahrzehnte zur Sperrzone gemacht hatte. Auf vielen Umwegen kamen erste Begegnungen mit den dort lebenden Menschen zustande, die geprägt waren von Versöhnung und dem beiderseitigen Bestreben, Schmerz und Verbitterung zu überwinden. Umso unverständlicher war es, daß gerade in dieser Zeit, im Jahre 1989 der Plöner Kreistag mit einer Stimme Mehrheit den bestehenden Patenschaftsvertrag aufkündigte.
Diese Entscheidung zeugte nicht gerade von politischer Weitsicht. Doch die Tilsit-Ragniter ließen sich dadurch nicht entmutigen. Sie waren diejenigen, die den Politikern zeigten, wie man Brücken der Verständigung schlägt. Sie waren es, die bei ihren Besuchen in der alten Heimat menschliche Kontakte zu den neuen Bewohnern knüpften. Mit zahlreichen Hilfslieferungen trugen sie dazu bei, Not zu lindern und Aufbauhilfe zu leisten. Die russische Kreisverwaltung verfolgte das Wirken der Kreisgemeinschaft mit wachsendem Interesse. Mehrfach kamen ihre Vertreter nach Deutschland, um als Gast an den Heimattreffen teilzunehmen. Folgerichtig ergab sich der Wunsch, die ersprießliche Zusammenarbeit auch auf die kommunalpolitische Ebene auszuweiten.
Kreisvertreter Hartmut Preuß nahm sich der Idee an und schuf die Voraussetzungen für eine offizielle Begegnung zwischen Vertretern des Plöner Kreistags und Abgeordneten des Rayons Neman. Im Mai 2004 begaben sich 6 Kreistagsmitglieder unter der Leitung von Landrat Dr. Volkram Gebel gemeinsam mit dem Kreisvertreter Harmut Preuß auf die weite Reise nach Neman/ Ragnit. Sie wurden von Landrat Alexander Melnikow herzlich empfangen. Die deutschen Gäste lernten die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Probleme des Rayons Neman kennen. In vielen Gesprächen wurde deutlich, wie wichtig die russische Seite eine Partnerschaft zwischen den beiden Kreisen betrachte.
Höhepunkt des Besuchs war ein Empfang beim Sprecher der Kaliningrader Gebietsduma, Wladimir Nikitin. Im Ergebnis der Reise kam ein Memorandum zustande, in dem gemeinsame Aufgaben und Ziele einer anzustrebenden Partnerschaft formuliert wurden.
Die anschließenden Beratungen im Plöner Kreistag führten dazu, daß im Juni 2005 mit 30 zu 19 Stimmen beschlossen wurde, zwischen den beiden Kreisen eine kommunale Partnerschaft einzugehen.
Auf Einladung des Plöner Kreistags kam am 30. Januar 2006 eine Delegation aus Neman/Ragnit zum feierlichen Vertragsabschluß nach Plön. Der Festakt fand im Prinzenhaus zu Plön statt, wo die Landräte Dr. Volkram Gebel und Alexander Melnikow die Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde vornahmen.
Landrat Dr. Gebel bekräftigte, daß es jetzt darauf ankomme, die vereinbarte Partnerschaft mit Leben zu erfüllen und die gewachsenen guten Beziehungen weiter auszubauen. Landrat Melnikow würdigte den Vertrag als ein wichtiges Signal, das neue Möglichkeiten für eine intensivere Zusammenarbeit eröffne.
Auch Kreispräsident Werner Kalinka unterstrich die Bedeutung der Partnerschaft zwischen den beiden Kreisen und ihrer Bewohner. Sie werde dazu dienen, Brücken zwischen den Menschen, den Generationen, Schulen, Vereinen, Verbänden und Betrieben zu bauen. Partnerschaft bedeute konstruktives Miteinander, gelebte Gemeinsamkeit, bedeute das Gefühl, ein Stück gemeinsamen Weges zu gehen. Er rief dazu auf, dies in Offenheit und mit dem Blick nach vorn zu tun.
Der Partnerschaftsbeauftragte des Kreises Plön, Dr. Claus Thies, erinnerte in seiner Ansprache daran, daß sich aus einer Patenschaft eine Freundschaft und jetzt eine echte Partnerschaft entwickelt habe. Mit Blick auf die wechselvolle Geschichte der Region am Memelstrom sagte Dr. Thies: „Es ist schön zu wissen, daß diese Partnerschaft über Gräben und Gräber der Vergangenheit und alle Grenzen der Gegenwart möglich ist”.
Ein umfangreiches Besuchsprogramm machte die Teilnehmer der russischen Delegation mit Einrichtungen des Kreises Plön bekannt, um Anregungen für die eigene Infrastruktur mit nach Hause nehmen zu können. Landrat Melnikow versicherte, die gewonnenen Erfahrungen zu nutzen. Er lenkte aber den Blick auch über die Grenzen der beiden Kreise hinaus und wertete die neue Partnerschaft als einen „Ziegelstein beim Bau des gemeinsamen europäischen Hauses”.
Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ der Besuch des Ehrenmals Laboe. „Eine Nation, die ihre Geschichte nicht vergißt, hat die große Chance, katastrophale Fehler nicht wieder zu machen” bemerkte Melnikow. Das betreffe nicht nur die Deutschen, sondern alle Menschen dieser Erde.
Zu diesem Höhepunkt gestaltete sich der Besuch der Heimatstube der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit in Preetz. Die Mitglieder der Delegation, Landrat Melnikow, Kreisamtsgeschäftsführer Nafejew, Sonderbeauftragter Franguljan und Dolmetscherin Guruschina machten sich eingehend mit der historischen Vergangenheit ihres Kreisgebiets bekannt. Eva Lüders und Walter Klink erläuterten den Gästen die zahlreichen Bilder, Karten und Exponate. Großes Interesse fanden das Fotoarchiv mit Aufnahmen aus der Vor- und Nachkriegszeit und der Archivalienraum mit wertvollen Dokumenten und Urkunden.
Gestärkt in der Überzeugung, daß die Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit auch weiterhin alles tun werde, die partnerschaftlichen Beziehungen zum Ragniter Land lebendig zu gestalten, traten die russischen Gäste die Heimreise an.
Autor : © 2005 Hans Dzieran
Quelle : Heimatrundbrief “Land an der Memel” Nr. 78/2006 Seite 41
© 2005 Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit e.V.
Dietmar H. Zimmermann