Ein Tag voller Begegnung, Erinnerung und Gemeinschaft: am Samstag, den 17. Mai 2025, fand in Weimar das ostpreußische „Drei-Kreise-Treffen“ der Stadtgemeinschaft Tilsit, der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit und der Kreisgemeinschaft Elchniederung statt.
Gastgeberin dieser traditionsreichen Veranstaltung, die in der Regel alle zwei Jahre an wechselnden Orten stattfindet, war diesmal die Stadtgemeinschaft Tilsit e.V. Mehr als 120 Gäste folgten der Einladung ins Weimarer Kulturzentrum „mon ami“, einem klassizistischen Prachtbau am Goetheplatz mitten in Weimar und erlebten einen Tag, der Information, Begegnung, Geschichte und Unterhaltung in eindrucksvoller Weise vereinte.

Gruppenfoto mit einem Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Feierlicher Auftakt
Schon vor dem Betreten des klassizistischen Gebäudes am Goetheplatz fiel das große, sieben Meter lange Veranstaltungsbanner mit dem „Drei-Kreise-Treffen“-Schriftzug und den Kreiswappen ins Auge. Auch im Treppenhausfoyer sorgte ein großes Ostpreußen-Willkommensposter für einen stimmigen Empfang. Der große Saal des „mon ami“ mit den von der Stadtgemeinschaft eigens gestalteten Großpostern und Flaggenbannern bot einen passenden Rahmen für das Treffen. Nach der intensiven Vorbereitung der vergangenen Monate füllte sich der Saal rasch und war nahezu vollständig besetzt.
Um 09:30 Uhr begrüßte Uwe Jörg Schmickt (1. Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Tilsit), die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es war ihm dabei eine besondere Ehre, den stellvertretenden Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen und Mitglied der Stadtgemeinschaft Tilsit, Herrn Hans-Jörg Froese, auf dem „Drei-Kreise-Treffen“ willkommen zu heißen.
Pfarrerin Anne Puhr von der Weimarer Kreuzkirche sprach anschließend das geistliche Wort und hielt die Totenehrung.

Ansprachen der Vorsitzenden
Uwe Jörg Schmickt drückte zunächst seine Freude über die große Beteiligung an diesem Nachbarschaftstreffen aus. Nach einem kurzen Überblick über den vorgesehenen Ablauf der Veranstaltung betonte er die Bedeutung solcher Treffen für die Pflege der Erinnerung an Ostpreußen und für den Zusammenhalt zwischen den Gemeinschaften. Als nächstes sprach Dieter Neukamm (Kreisvertreter und 1. Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit), der die Anwesenden ebenfalls begrüßte und sich besonders über die gelungene Wahl des „mon ami“ als Veranstaltungsort freute sowie über die Teilnahme einiger Vertreter der jüngeren Generation. Anschließend hieß James-Herbert Lundszien (Kreisvertreter und 1. Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Elchniederung) die Anwesenden ebenfalls herzlich willkommen und hob die enge Verbundenheit der drei Gemeinschaften hervor. Alle Ansprachen waren von persönlichem Engagement und großer Herzlichkeit geprägt – ein sichtbares Zeichen für den starken Zusammenhalt dieser drei ostpreußischen Kreise.
Ehrung von Bernd Polte
Eine besondere Auszeichnung wurde dem mit Sonderaufgaben betrauten Bernd Polte durch den Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft Tilsit zuteil. Er erhielt die „Silberne Ehrennadel“ der Landsmannschaft Ostpreußen, in Würdigung seiner vielfältigen, langjährigen Verdienste in der Mitgliederverwaltung, Familienforschung, Kassenprüfung sowie seiner zahlreichen fundierten Beiträge in unserem Rundbrief. Die Anwesenden dankten ihm mit herzlichem Beifall für sein großes Engagement.
Vorstellung der Publikationen
Besonderes Interesse weckte die Vorstellung der deutschen Fassung des Buchs „Tilsiter Dominanten“ durch Jakov Rosenblum, der extra für die Veranstaltung aus Tilsit-Sovetsk angereist war. Im Gepäck brachte er ein symbolisches Gastgeschenk mit: einen echten Tilsiter Käse, aus heutiger Produktion in der Stadt an der Memel, den er dem 1. Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft Tilsit überreichte. Der Vortrag von Herrn Rosenblum wurde von Dr. Innokentij Urupin übersetzt.
Wolfgang Freyberg (Mitglied unseres Beirats und langjähriger Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen a.D.) präsentierte anschließend die neue Tilsit-Broschüre, die in Kooperation zwischen dem Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen und der Stadtgemeinschaft Tilsit entstanden ist und einen umfassenden Überblick zu Tilsit bietet. Er, wie auch Jakov Rosenblum, stellten eindrucksvoll unter Beweis, dass das historische und kulturelle Erbe Tilsits weiterlebt – über Grenzen hinweg und mit neuen Ideen für die Zukunft.
Festrede von Hermann Pölking
Ein Höhepunkt des „Drei-Kreise-Treffens“ war die Festrede des Autors und Filmemachers Hermann Pölking, der als profunder Kenner der ostpreußischen Geschichte gilt. In seiner Rede, bewusst jenseits jeder Heimatverklärung, schilderte er seine persönliche Beziehung zu Ostpreußen und dem Memelland. Er berichtete, wie seine Beschäftigung mit dieser Sehnsuchtslandschaft über die Literatur Johannes Bobrowskis begann und zeigte auf, welche Bedeutung für ihn jene Orte haben, an denen die Vergangenheit noch spürbar ist. Er spannte einen Bogen von der wechselvollen Geschichte Ostpreußens bis in die Gegenwart und unterstrich die bleibende Bedeutung von Erinnerungskultur und Geschichtsbewusstsein.

Filmpräsentation „Ostpreußen – Entschwundene Welt“
Nach dem Mittagessen folgte eine besondere Premiere, organisiert von der Stadtgemeinschaft Tilsit. Einen Tag nach der Uraufführung in Bremen wurde Hermann Pölkings neuer Dokumentarfilm „Ostpreußen – Entschwundene Welt“ im hauseigenen Kino des „mon ami“ gezeigt. Hermann Pölking stellte seinen Film und die zwölfjährige Entstehungsgeschichte persönlich vor. Der gesamte 99-minütige Film besteht aus historischen Film- und Tonaufnahmen – viele davon erstmals öffentlich präsentiert – und vermittelt ein einzigartiges Bild vom Leben in Ostpreußen zwischen 1912 und 1945. Der Kinosaal war bis auf den letzten Platz besetzt und die Zuschauer zeigten sich von dem Film tief beeindruckt.

Musik, Humor und Plachandern
Viel Applaus erhielt der spontane Auftritt von Rosemarie Zimare, die – außerhalb des offiziellen Programms – das bekannte ostpreußische Gedicht „Ach wie schön ist doch plachandern“ vortrug.
Für ausgelassene Stimmung am Nachmittag sorgten die „Ostpreußen-Brüder“ aus Mecklenburg-Vorpommern, mit Akkordeon begleitet von ihrem „Marjellchen“ Bärbel Stern und einem ganzen Koffer voll guter Laune. Rainer-Joachim Janenz erschien als „Reitbursche Otto Kaluweit aus Trakehnen“, hochgearbeitet zum „1. Deckoffizier vom Hauptgestüt“, während Frank Neumann als „Schrankenwärter Gustav Kaludrichkeit“ auftrat, geboren 1943 in Pillau, mit familiären Wurzeln in Tilsit. In breiter ostpreußischer Mundart schabberten die beiden Gedichte, Witze, Anekdoten, dazwischen Akkordeonklänge und Lieder, bei denen keiner lange stillsitzen konnte. Schnell wurde gelacht, geklatscht und mitgesungen.

Lied „Anne Mämel“
Anschließend folgte der Vortrag des Liedes „Anne Mämel“, komponiert von Charlotte Keyser, einer der bedeutendsten ostpreußischen Heimatdichterinnen. Sie schrieb dieses Gedicht im Ostpreußischen Platt – eine poetische Liebeserklärung an die Memel und die Landschaft ihrer Heimat. Da das Lied in Vergessenheit geraten war und die Musiknoten kaum noch aufzufinden waren, gelang es erst nach intensiver Recherche, das Material für das „Drei-Kreise-Treffen“ wieder aufzuspüren. So war „Anne Mämel“ nun erstmals seit vielen Jahren wieder öffentlich zu hören.
Bärbel Stern, die musikalische Begleitung der „Ostpreußenbrüder“ und Musiklehrerin aus Mecklenburg-Vorpommern, hatte das Stück eigens für unser „Drei-Kreise-Treffen“ einstudiert und präsentierte es mit viel Gefühl. Für viele war es ein berührender Augenblick, dieses Lied nach Jahrzehnten wieder erklingen zu hören – auch deshalb, weil die früheren Kreise Tilsit, Tilsit-Ragnit und Elchniederung direkt an der Memel liegen und in diesem Lied ein gemeinsames Symbol ihrer Herkunft und Verbundenheit lebendig wird.
Wie es Tradition ist, endete der offizielle Teil der Veranstaltung mit dem gemeinsamen Singen des Ostpreußenlieds „Land der dunklen Wälder“. Der Klang von über hundert Stimmen füllte den Saal – ein schöner und bewegender Moment am Ende des „Drei-Kreise-Treffens“ gegen 16.00 Uhr.
Am Abend nutzten viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer gerne noch die Gelegenheit zum Schabbern und Plachandern an der Hotelbar. In diesen Gesprächen zeigte sich deutlich: Das „Drei-Kreise-Treffen“ ist weit mehr als ein nostalgisches Wiedersehen – es ist ein lebendiges Forum für Austausch zwischen den Generationen, zwischen Ostpreußen-Erinnerung und Zukunftsgestaltung. Es wurde erzählt, gelacht, man teilte Erinnerungen und schloss neue Bekanntschaften – das ganze Wochenende über herrschte eine Atmosphäre echter Verbundenheit.

Dank und Ausblick
Die Organisation und Umsetzung durch die Stadtgemeinschaft Tilsit wurde vielfach gelobt. Die Gäste zeigten sich beeindruckt von der professionellen Durchführung, der kreativen Gestaltung und der Vielfalt des Programms. Alles in allem wurde das „Drei-Kreise-Treffen“ in Weimar als rundum gelungen bezeichnet. Dieses Treffen hat gezeigt, dass die nachbarschaftliche Gemeinschaft unserer drei ostpreußischen Vereine lebt – dass wir nicht nur erinnern, sondern gestalten können. Weimar war ein gutes Zeichen des Zusammenhalts.
Das nächste „Drei-Kreise-Treffen“ richtet die Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit aus, es wird in zwei Jahren stattfinden.
Zwei Tilsiter Urgesteine: Manfred Urbschat und Heinz Schmickt
Schreibe einen Kommentar