Tilsit Stadt und Land

Herzog-Albrecht-Schule 

Knaben-Mittelschule in Tilsit

Abbildung 1: Ansicht der Herzog-Albrecht-Schule vom Hof aus. Abbildung 2: Modell der Herzog-Albrecht-Schule. Das Gebäude besteht auch heute noch und wird als Textil-Fachschule genutzt. Modell und Foto: Alfred Pipien

Die Knaben-Mittelschule war aus der ehemaligen „Stadtschule mit gehobenen Klassen” hervorgegangen. Diese Stadtschule befand sich im Gebäude der späteren Altstädtischen Volksschule, Kirchenstraße/Ecke Fabrikstraße. Im Jahre 1899 zog die Knaben-Mittelschule in ihr neues Gebäude Schulstraße 22 ein. Den Namen „Herzog-Albrecht-Schule” trug sie seit 1912.

Wer die Mittelschule bereits vor dem 1. Weltkrieg mit der mittleren Reife verließ und seine alte Schule zwischen Schulstraße und Rosenstraße über steile Holztreppen und knarrende Dielen in den Jahren des letzten Krieges wieder betrat, fühlte sich erneut in seine eigene Schulzeit zurückversetzt.
Die Herzog-Albrecht-Schule (Mittelschule für Jungen) hatte sich nämlich in den verflossenen 40 Jahren baulich nur geringfügig verändert. Große, lange und halbdunkle Flure, hohe Klassenräume mit großen Doppelfenstern und wuchtige Kachelöfen, die in der kalten Jahreszeit täglich vor Schulbeginn vom Hauspersonal gefüttert werden mußten, ließen den inzwischen zu einem ausgereiften Bürger gewordenen Absolventen zurückblicken auf seinen Bildungsweg, der ihn jahrelang und täglich auch durch diese Flure und durch diese Räume führte. Alt war diese Schule im baulichen Sinne, doch fortschrittlich in Bildung und Erziehung.
Noch immer mußte die große Schiffsglocke im Erdgeschoßflur manuell betätigt werden, um die Unterrichtsstunden ein- bzw. auszuläuten. Obwohl dieser große und kompakte Backsteinbau stilistisch und funktionell nicht mehr so recht in das technische Zeitalter paßte, war das Bauwerk stabil und solide konstruiert und erforderte nur wenig bauliche Unterhaltungsarbeit.
Ganz im Gegensatz zu den baulichen Äußerlichkeiten standen Lehrplan, Bildungsziel und technische Einrichtungen. Die Tilsiter nannten bekanntlich ihre Heimatstadt „die Stadt ohnegleichen”. Diese liebevolle Bezeichnung durfte auch das Tilsiter Bildungswesen auf sich beziehen. Die Schule schloß ab mit der mittleren Reife. Der erfolgreiche Schulabschluß bot eine breite Grundlage für den Eintritt in das Berufsleben und für das praktische Leben überhaupt. Zu den hier gelehrten Fremdsprachen gehörten Englisch und Französisch. Die Schulleitung setzte sich zum Ziel, ihren Schülern Kenntnisse zu vermitteln, die über den allgemeinen Lehrplan hinausgingen. So sollte jeder Absolvent mit Kenntnissen in Stenographie und Schreibmaschine sowie mit dem Führerschein für Motorfahrzeuge ausgerüstet sein. Die Unterrichtsfächer Steno und Schreibmaschine wurden mit großem Erfolg betrieben. Ein komplett eingerichteter Schreibmaschinenraum war für die damalige Zeit für eine Mittelschule noch eine Besonderheit. Der Weg zum Führerschein konnte allerdings nicht mehr weiter verfolgt werden.
Das Mobiliar der Schule wurde nach und nach erneuert, und Lehrmittel, Demonstrationsobjekte und technische Einrichtungen waren dem jeweils geltenden Standard angepaßt. Neben den Fachklassen für die naturwissenschaftlichen Fächer, für Zeichnen, Werken und Maschinenschreiben waren 14 Stammklassenräume vorhanden, so daß der Unterricht für die einzelnen Klassen zweizügig und in Ausnahmefällen dreizügig durchgeführt werden konnte. Im 1. Obergeschoß des Seitenflügels befand sich die Aula und darunter die Turnhalle. Zu den Außenanlagen gehörten 2 Schulhöfe — die durch einen öffentlichen Fußweg voneinander getrennt waren — und ein 400 qm großer Schulgarten.
Schulgeld 10,— RM pro Monat.

Quelle: 4. Tilsiter Rundbrief
Autor: Ingolf Koehler
Fotos: Archiv